The end?

Nicht ganz. Obwohl die sechs Folgen von «Auf und davon» abgeschlossen sind, setzt sich unser Abenteuer in Ecuador natürlich fort. «Ein Jahr danach» wird voraussichtlich im Januar 2026 ausgestrahlt.

Jedoch ist die Zukunft der DOK-Sendung unsicher geworden. Aus Spargründen plant das SRF, das Format an externe Produktionsfirmen zu übertragen. Nach 16 Jahren erfolgreicher Auswanderungsgeschichten ist das natürlich bedauerlich und für die betroffenen Mitarbeiter, welche z.T. seit Beginn dabei sind, herausfordernd. Die Ungewissheit über den weiteren Verlauf ist sicherlich zermürbend. Der enge Kontakt zu SRF hat bei mir die Wahrnehmung verändert. Ich sehe die Menschlichkeit, den grossen Produktionsaufwand und das noch grössere Engagement aller Beteiligten. Ich hoffe für alle, dass es bald eine gute Lösung gibt und Klarheit herrscht.

Nun zu Folge 4:

Ja, da kam grosser Besuch von meiner Mama. Sie blieb einen Monat und wir hätten sie gerne noch länger bei uns behalten. Und was ist mit meiner lustigen Schwiegermama 😀 Natürlich gibt Lastenia nun gerne Kurse, um die Kleider effizient von Hand zu waschen :).

Vor Folge 4 hatten wir auch Kontakt zu den Auswanderern aus Sizilien und durften sie über Videocall besser kennenlernen. Das sind zwei ganz coole Socken und wir freuen uns über diese «Auf und davon» Bekanntschaft. Bei jeder weiteren Folge haben wir zusammen mitgefiebert und uns über Kritik und Lob ausgetauscht. Patrick äusserte, dass er Leo bei ihrem Umbau auch hätten brauchen können. Daraufhin antworteten wir, dass wir solch zwei lustigen, fleißigen Bienchen auch bei uns immer noch gut gebrauchen könnten 🙂 Wir sind auf jeden Fall sehr stolz auf alle Auswanderer dieser Staffel. So viel Courage, so viel Loslassen, so viel Engagement, Herzblut und Humor. Die Vielfältige Kombination ist dem SRF gelungen.

Folge 5:

In Folge 5 hätte man noch viel mehr präsentieren können. Aber knappe 10 Minuten für jedes Paar sind einfach zu wenig für all die emotionalen Ereignisse die wir erlebt haben. Naturkatastrophen, scheinbare Enteignung vom Land, Verteilung von Spenden und Stromausfälle.

Da meine Mutter nun schweizweit bekannt ist, ist es nicht erstaunlich, dass sie von besorgten Bürgern angesprochen wurde. Einige äusserten sogar, dass sie sich so Sorgen machen, dass sie nicht mehr schlafen konnten. Gott sei Dank geht es uns allen sehr gut.

Folge 6:

Und schon die letzte Folge der Staffel. Zum Glück hat der Staat an Weihnachten die Stromrationierung aufgehoben. Über die Landenteignung haben wir keine weiteren Neuigkeiten aber sind auch da positiv gestimmt.

So viele Stunden Videomaterial, so viele emotionale Momente und nun ist alles zu Ende. Würden wir es wieder tun? Ganz bestimmt! Die Begleitung der Auswanderung durch das SRF war für uns eine grosse Bereicherung und auch trotz kurzer Sendezeit pro Folge haben sie ein wunderschönes Werk zusammengeschnitten. Die harte Arbeit wurde belohnt, seit 2014, als das Zählsystem umgestellt wurde, ist es die Staffel mit den höchsten Einschaltquoten.

Wenn ihr euch nicht sicher seid, was ihr an den Freitagabenden nun machen sollt, findet ihr hier die Übersicht mit der Playlists aller Staffeln, einschliesslich der Spezialfolgen.

Auf und davon – Playlist SRF

Im nächsten Blogeintrag erzählen wir euch, wen wir dank «Auf und davon» alles schon treffen durften und was für weitere Erfolge wir feiern konnten.

Herzliche Grüsse aus Ecuador

The show must go on…

Mehr als ein Jahr lang hat uns das SRF-Team von „auf und davon“ in unserem neuen Leben begleitet. Am 3. Januar 2025 wurde schliesslich die erste Folge ausgestrahlt – ein Moment, auf den wir mit grosser Vorfreude hingefiebert hatten. Während ich die Szenen unseres früheren Lebens in der Schweiz verfolge, überkommt mich ein Gefühl, das sich anfühlt wie eine Reise in die Vergangenheit. Es ist fast so, als wäre diese Zeit in der Schweiz eine längst vergessene Erinnerung, die nun in lebhaften Bildern wieder zum Leben erweckt wird.

Ich blicke aus dem Fenster ins Grüne, während die Grillen zirpen und die warme Abendluft hereinströmt. Hier, in unserem neuen Zuhause, sind wir angekommen. Ich bin dankbar, diesen mutigen Schritt gewagt zu haben.

Herzlich möchten wir allen Menschen danken, die in der ersten Folge offen waren vor der Kamera mitzuwirken. Über die Feedbacks haben wir uns sehr gefreut und mich hat überrascht, dass viele von euch sogar von Fremden auf der Strasse zur Sendung angesprochen wurden. Überall hörte ich das selbe. Die Schweiz schaut «auf und davon» 🙂

In der zweiten Folge: Unsere Ankunft und die Koffer-Odyssee

In der zweiten Folge unserer Reise durftet ihr hautnah miterleben, wie wir voller Freude “nur” fünf Koffer vermissten. Diese Erleichterung war jedoch nur der Schlusspunkt einer langen Abreise-Odyssee, die leider nicht gefilmt werden konnte.

Am Abend des 3. Dezember 2023 standen wir wegen Schneemassen und Flug-Annullierung vor der Herausforderung, gleich zweimal unsere insgesamt 13 Koffer und 4 Sperrgepäckstücke einzuchecken. Leider war zu diesem kritischen Zeitpunkt kein Kameramann vor Ort, wodurch wir die chaotischen Szenen nicht festhalten konnten.

Zusätzlich kamen wir am nächsten Tag durch gefrorene Teile am Flugzeug verspätet am Flughafen Schiphol an, was uns wieder in eine unerwartete Situation brachte. Das SRF durfte wegen „Spionageverdachts“ den Sprint durch den Flughafen nicht filmen. Eine wirklich nervenaufreibende Abreise, die uns alle auf Trab hielt!

Für all jene, die das gesamte Abenteuer rund um unsere Abreise in Detail nachlesen möchten, haben wir die Blogeinträge weiter unten verlinkt. Dort könnt ihr die Höhen und Tiefen noch einmal Revue passieren lassen – viel Spass beim Lesen!

Die (Ab-) Reise meines Lebens (Teil 1)

Die (Ab-) Reise meines Lebens (Teil 2)

Die (Ab-) Reise meines Lebens (Teil 3)

Halbzeit: Folge 3 von 6 ist auf Sendung!

Es ist kaum zu fassen, aber der 3. Freitag im neuen Jahr steht wieder vor der Tür und mit ihm die nächste Folge unserer gemeinsamen Reise. Die Spannung steigt, denn für uns alle sind die ausgestrahlten Episoden auch eine Überraschung. Auch wir haben vorab keinen Blick auf die Folgen werfen können, was das Ganze umso aufregender macht.

Mehrmals hat das SRF während der Dreharbeiten die Reise nach Ecuador auf sich genommen. Und wenn man bedenkt, wie viel Material dort entsteht, ist es beeindruckend, wie wenig letztlich in der Sendung zu sehen ist. Eine der grössten Herausforderungen für das SRF besteht zweifelsohne darin, die besten Szenen auszuwählen – oder wie man so schön sagt: „Kill your Darlings“. Es schmerzt, schöne und emotionale Momente herauszuschneiden, um die Sendezeit von etwa 44 Minuten einzuhalten. Früher waren es fünf Protagonisten, die gleichzeitig begleitet wurden. Daher sind wir besonders dankbar, dass jetzt nur noch drei Familien pro Jahr in den Fokus rücken dürfen.

Eine interessante Tatsache am Rande: Weder wir noch die anderen Auswanderfamilien erhalten für unsere Teilnahme Geld. Doch der wahre Lohn für uns liegt nicht im finanziellen Aspekt, sondern in der Möglichkeit, das grösste Abenteuer unseres Lebens professionell begleitet und gefilmt erleben zu dürfen.

Wir sind gespannt auf die letzten drei Folgen und freuen uns gemeinsam mit euch die Highlights unserer Auswanderung zu geniessen!

Und falls es euch langweilig ist, bis zum nächsten Freitag, dann könnt ihr hier noch einige unserer Interviews nachlesen.

Liebe Grüsse aus Rio Negro eure Alvarados

SRF-Auswanderer erzählen: «Hier in Ecuador haben wir unser Traumleben gefunden» | blue News

Luzerner Familie wandert nach Ecuador aus | zentralplus

Ecuador: Die Familie Alvarado aus Luzern ist ausgewandert. – 20 Minuten

Isabelle und Leo lieben Auswandern nach Ecuador, doch eine Schwierigkeit gibt es – FOCUS online (mit Focus haben wir kein Interview gegeben, das haben sie ohne unser Wissen publiziert)

«DOK»-Serie «Auf und davon»: Start der 16. Staffel – Medienportal – SRF

Ein anderer Abschied

Vor einem Jahr feierten wir mit vielen von euch unseren Abschied bei MeinRad. Ich muss schon sagen, das feine, frische Essen vermisse ich sehr und bedanke mich hiermit nochmals besonders für die Spontanität und Hilfsbereitschaft von Armin und allen, die uns mitgeholfen haben, um diesen Abschiedstag zu einem wundervollen Erlebnis zu machen. In der ersten Staffel der SRF-Sendung «Auf und davon» wird ein Ausschnitt des Abschiedsfests zu sehen sein. So viel darf ich euch schon verraten.

Auch ein Jahr später bin ich an einem Abschiedsfest. Eines der anderen Art. Zwischen dem 31.10. und 3.11. feiert ganz Ecuador » el Día de los Difuntos». Den Tag oder eben die Tage der Toten. Seit einigen Jahren hat auch der amerikanische Kommerz mit «Halloween» Einzug gehalten und die Kinder feiern im Dorf mit Kostümen und Süssigkeiten.

Der 2. November ist der wichtigste Tag im Jahr im Dorf Salasaka. Das Kichwa-Volk feiert Aya Killa Raymi, ein Fest der Vorfahren, das die jahrtausendealten Erinnerungen und Traditionen der Gemeinschaft bewahrt. Alle, aber wirklich alle, kommen auf den Friedhof. Speziell für diesen Anlass fertigen sie neue Hüte und Kleider an. Die Gräber werden geschmückt und auch «Guaguas de Pan» Babybrote, die aussehen wie ein «Grittibänz» und das traditionelle Getränk Colada Morada werden extra für das Fest zubereitet. Auch diese werden als Gaben auf das Grab gelegt. Alle putzen sich heraus und der hochprozentige Alkohol, gegrillte Meerschweinchen, Kartoffeln, Erbsen, Bohnen und Reis dürfen natürlich nicht fehlen. Auch ich wurde wie eine Indigene angezogen. Der Rock aus Schafwolle hat einen Wert von über 1000 USD und der Schal ist auch aus dessen Material. Es fühlt sich wunderbar an, mit diesen Kleidern an das Fest gehen zu dürfen. So viele Farben, so viele Eindrücke. Dort nahm ich auch bewusst von meinem Onkel Abschied. Nach kurzer Krankheit ist er am 31.10.24 in die Anderswelt zurückgekehrt. Ruhe in Frieden, lieber Roli.

Ich danke dem lieben Alonso und seiner Familie herzlich, dass wir diesen speziellen Tag mit ihnen verbringen konnten. Über Alonso, sein Leben und sein wundervolles Hostel möchte ich in einem späteren Blogeintrag berichten.

Damit wir von uns zu Hause ins Dorf gelangen, müssen wir drei Brücken überqueren. Von einer dieser Brücken durften wir Ende Oktober auch Abschied nehmen und wir waren 3 Tage von der Aussenwelt abgeschnitten. Eine Schlammlawine hat Teile der Brücke «Coral» mitgerissen. Die zweite Brücke ist auch beschädigt und droht einzustürzen, und die dritte Brücke ist schon ca. 65-jährig und sollte auch längst unterhalten werden. Das Positive ist, dass wir nun nicht mehr als «sichere Zone» gelten und somit wohl endgültig die Landenteignung vom Tisch ist… Diesbezüglich können wir euch noch nichts Konkreteres mitteilen. Wir wissen einfach, dass unsere Nachbarin einen Brief erhalten hat, indem sie die Landenteignung ihres Grundstücks angekündigt haben. Wir haben bis jetzt nichts erhalten. Aber die Gerüchteküche brodelt natürlich weiter.

Die Brücke würde laut Stadtpräsident in 3 Monaten wieder aufgebaut. Die Menschen, die auf unserer Seite wohnen, taten sich zusammen. Mithilfe vieler Bewohner konnte ein provisorisches Rohr organisiert werden und mit der Schlagbohrmaschine von Leo auch viel schneller als gedacht zusammengebaut werden. Zuerst machten sich alle lustig über diese kleine Maschine, aber danach waren alle beeindruckt über die Leistung, die sie erbringen kann. Ich denke, diese Maschine repräsentiert auch meinen kleinen Mann. Kleiner Mann mit grosser Leistung haha 😉 Was er alles grosses leistet, könnt ihr dann hoffentlich in der SRF-Sendung sehen.

Dieses Zusammenarbeiten heisst hier «Minga» und wird noch oft praktiziert. Die Nachbarn kommen zusammen, um in einem Projekt zu helfen oder andere zu unterstützen.

Wir sind gespannt, wann und ob die neuen Brücken zustande kommen.

Bei uns gab es in den letzten Monaten nicht nur Abschiede, sondern auch grossen Zuwachs. Unser Büsi Minou wollten wir gerade kastrieren, danach kamen die Unwetter und wir waren 3 Wochen von der Aussenwelt abgeschnitten. Genau zu dieser Zeit wurde sie zum ersten Mal rollig und der Nachbarskater nutzte die Gunst der Stunden. Minou wurde schwanger. Ich durfte zum ersten Mal Geburtshelferin sein. Die liebe Minou hat Hüftprobleme und alle vier Kater kamen mit einer Steissgeburt zur Welt. Das eine Bein des Kätzchens hing schon zwei Stunden aus Minou heraus und die Geburt wollte nicht vorwärtsgehen. Wir merkten, dass Minou sehr erschöpft war. Dann entschlossen wir uns für einen Kaiserschnitt und fuhren Richtung Baños. Normalerweise haben wir ca. 40min bis zum Tierarzt. An diesem Sonntag gab es so viel Verkehr, dass wir sage und schreibe 4h im Stau standen. In diesen vier Stunden half ich 3 von 4 Katern auf die Welt. Wir sind nun stolze Besitzer von 6 Katzen und 2 Hunden…

Unsere zweite Katze Guadalupe hatte schon wieder eine Fehlgeburt. Auch sie wurde zur fast selben Zeit Rollig. Jedoch kann sie keine Kätzchen austragen. Die zwei Katzen teilen sich nun das Stillen der 4 Kater auf. Co-Parenting der anderen Art. Wir werden hier also fast täglich mit erstaunlichem und unvorhergesehenem überrascht. Wir erleben hier so viel, dass ich gar nicht zum Schreiben komme. Zum Glück wird bald die SRF-Sendung ausgestrahlt, damit ihr einen Einblick in unser Leben haben könnt. Am Sonntag werden wir das Filmteam zum letzten Mal bei uns begrüssen dürfen. Ich hoffe auch beim letzten Besuch können wir euch spannende Aufnahme liefern.

Herzliche Grüsse aus der vielpfotigen Alvawelt.

Ist die Landenteignung vom Tisch?

Laut unserem Anwalt schon. Jedoch ist immer noch unklar, wo die vom Unglück betroffenen Menschen aus Rio Verde ihre neue Heimat finden werden. Bis dahin, können wir noch nicht definitiv aufatmen. Denn, der jetzige Stadtpräsident handelt in vielen Dingen unberechenbar. Es gibt viele Vermutungen und Gerüchte, die bei uns im Umlauf sind.

Den Gesetzesartikel, den Leo in einer schlaflosen Nacht entdeckt hat, ähnelt dem des Raumplanungsgesetzes der Schweiz. Hier in Ecuador gilt auch, Kulturland vor Bauland. Da das Land der Alvarados schon seit über 60 Jahren für die Anpflanzung von Zitrusfrüchten und Mandarinenplantagen genutzt wird, gilt Alvarados Terreno definitiv auch als Kulturland. Auch nahmen wir weitere Massnahmen vor, die wir momentan noch nicht nach Aussen tragen dürfen. Wir haben das Möglichste getan und unser Anwalt hat uns tatkräftig unterstützt. Ich denke auch, dass der Besuch des SRF im Dorf Eindruck gemacht hat. Das SRF begleitete uns bei den Spendenübergaben, interviewte den Gemeindepräsidenten und konnte hautnah unsere Emotionen über die geplante Enteignung aufzeichnen. Die zwei Drehtage waren nicht nur für uns, sondern auch für das TV-Team intensiv.

Im Umlauf sind nicht nur Gerüchte über den Stadtpräsidenten, sondern natürlich auch über uns. So heisst es z.B. dass wir diese Spendenverteilung nur durchführen, weil Leo bei den nächsten Wahlen als Gemeindepräsident kandidieren will. Die gemachten Erfahrungen zeigen, dass wir lieber unsere eigenen Träume realisieren und unser Familienleben geniessen möchten, als Spielball der Politik, Korruption und der Unzufriedenheit der Bevölkerung zu werden. Dieses Gerücht können wir mit einem Schmunzeln definitiv dementieren.

Wir helfen, weil wir das Glück haben es zu können!

Gestern verteilten wir nochmals finanzielle Unterstützung an bedürftige Menschen aus unserer Region. Auch dieses Mal erschütterte mich die Armut, die Krankheiten und Schicksalsschläge der einzelnen Menschen. Wir besuchten eine Frau, ca. 60-jährig. Ihre rheumatoide Arthritis ist so fortgeschritten, dass sie nur noch liegen kann. Ihre Finger und Beine sind so verkrümmt, dass es nur schon beim Hinsehen schmerzt. Die Tochter besucht sie, ca. alle 2 Tage, eine Nachbarin kümmert sich um das Essen und das Windeln wechseln. Die Dame war so berührt von unserer Grossherzigkeit und überschüttete uns mit guten Wünschen, liebevollen Worten, Gottessegen und Dankbarkeit und natürlich vielen Tränen. Gerne hätte ich ihr noch länger Gesellschaft geleistet, aber es warteten noch andere Menschen auf uns. Auch mir liefen bei der Verabschiedung natürlich wieder die Tränen herunter. Trotz Krankheit und Leid ist diese Frau so stark.

Der Nächste Besuch war bei einer Familie, die Gemüse verkauft. Nur die Tochter war zu Hause, denn ihre finanzielle Lage sei so schlecht, dass sie sich nicht mal eine Busfahrt leisten konnte, um ihren Eltern beim Verkauf mitzuhelfen. Bis nach Baños, also eine 40 min Busfahrt, kostet eine Fahrkarte 1.50 USD. Von hier bis nach Quito kosten ein Busbillett 5 USD. Für die meisten Schweizer unvorstellbar, dass es nicht mal mehr für ein Busticket reicht. Mit grosser Dankbarkeit nahm die junge Dame die finanzielle Hilfe an. Weitere Kranken- und Altenbesuche standen an. Eine Frau im Alter von 91 Jahren durften wir mit etwas Geld beschenken. Sie hört und sieht nicht mehr aber nahm uns trotzdem wahr. Das einzige, was sie sagte, war ob wir sie zu einem Ausflug mitnehmen würden. Hier gibt es weder Spitex noch Altersheime. Man kann von Glück reden, wenn die Kinder einem hier mit dem nötigsten im Alter Pflegen. In diesem Fall ist es die Enkeltochter, welche die alte Dame bei sich aufgenommen hat und pflegt.

Der bewegendste Besuch war aber bei einer Frau, die ihren 13-jährigen Sohn in der Schlammlawine von Rio Verde verloren hat. Nur durch ganz viel Glück hat sie und ihr 3-jähriger Sohn überlebt. Sie berichtete, dass der Schlamm sie nach vorne stiess und sie so aus der Gefahrenzone «herausgedrückt» wurden. Sie war nun über einen Monat im Spital, da sie durch die Rettung des kleineren Sohnes ein Bein gebrochen hatte. Ihr wurde in diesem Monat psychologische Hilfe angeboten, aber es kam, wie so oft, niemand. Die Gemeinde versicherte ihr bei unserem Besuch, dass sie sich bemühen würden, dass bald möglichst jemand zur psychologischen Betreuung zur Verfügung stehen würde. Sie berichtete ausserdem, dass ihr Mann nicht nur den gemeinsamen Sohn verloren habe, sondern auch seine Eltern, Geschwister und Grosseltern. 7 Familienmitglieder wurden unter dem Schlamm begraben. Wir gaben ihr Geld und sie erwiderte: «Kein Geld der Welt kann meinen Schmerz lindern, kein Geld der Welt kann meinen Sohn zurückgeben.» Trotzdem ist sie dankbar für unseren Besuch und unsere Hilfe. Es gibt keine Worte für diese unbeschreiblichen Schicksalsschläge und meiner Meinung nach keine Heilung für den unbeschreiblichen Schmerz. Auch Zeit heilt in den meisten Fällen keine Wunden, jedoch bin ich überzeugt, dass wir die Fähigkeit haben, mit dem Schmerz und der Trauer leben zu lernen. Was ich ihr sagen konnte war, dass sie und wir für ihren Sohn weiter Leben, dass wir das Leben zu seinen Ehren LEBEN. Wir leben! Sie meinte, sie müsse und wolle weitermachen, denn sie habe ja noch ihren 3-jährigen Sohn.

Auch hier, gibt es keine Lebensversicherung, kein Care Team, keine Krankschreibung, keine Sozialhilfe oder Betreuung in solchen Fällen. Ihr Mann ist am Arbeiten. Sie müssen weiter machen. Es geht ums überleben. Da ist keine Zeit für zu viele Gedanken oder Krank sein.

Rio Negro hat einen Bingo-Abend organisiert, damit Geld gesammelt werden konnte für diese Familie. Das ist das einzige, was man hier tuen und erhalten kann. Es sind so komplette anderen Welten, die ich aus der Schweiz kenne und die ich nun auch dank euch erfahre. Dank eurer Grosszügigkeit darf ich den Menschen aus dieser Region auf einer tieferen Ebene begegnen, welche sonst v.a für Ausländer verschlossen bleiben würde. Ich trage so viel Trauer über das Erlebt, aber auch so viel Dankbarkeit in meinem Herzen.

Ich danke euch für eure grosse Hilfsbereitschaft und für euer Vertrauen in meine Familie und mich. Das Geld oder die Esswaren und Maschinen gehen ohne Umwege direkt an die Menschen in Not.

Wir kamen von unserer Spendenrunde nach Hause, unsere beiden Jungs erwarteten uns schon mit einer Umarmung. Ein voll gedeckter Tisch mit Esswaren stand uns zur Verfügung, ein warmes Bett wartete auf uns und das Zirpen und Quaken der Tiere wiegte uns beruhigend in den Schlaf.

Ein neuer Tag bricht an. WIR LEBEN. Wir leben zu Ehren aller zu früh verstorbenen Menschen, zu Ehren alle Menschen, die aus Krankheitsgründen nicht mehr aus ihren Betten aufstehen können. Wir leben und sind so dankbar, dürfen wir das Leben leben, dass wir uns so lange erträumt haben!

Leben wir unser Leben in vollen Zügen!

Andy bei der Arbeit
Wir verteilten nicht nur Geld oder Esswaren, sondern für diesen Zimmermann auch Maschinen
Das Haus des Onkels mit den Plantagen
Hier geniessen wir die Vielzahl der leckeren Früchte aus Tio Luchos Plantage
Auch Krankheitsbesuche standen auf dem Programm. Unser Nachbar hatte einen schlimmen Motorradunfall und meine Fussreflexzonenmassagen halfen ihm, beim Heilungsprozess. Auch er wurde weder von Physiotherapeuten noch Ärzten begleitet.
Und dann noch was Erfreuliches. Ich gebe nun jeden Mittwoch für die Kinder im Dorf Improtheater mit etwas Englischunterricht. Auch das ist eine grosse Mutprobe für mich. Das Leben ist ein Spiel. Spielen und leben wir es!

Und nun sind wir auch betroffen…

Bevor ich zum Drama übergehe, möchte ich euch nochmals ganz herzlich für eure enorm grosszügigen und zahlreichen Spenden für Rio Negro danken. Wir sind am Freitag 40 Essenspakete verteilen gegangen und morgen werden nochmals 10 Pakete an betroffene Menschen und Familien verteilt. Ich bin überwältigt von eurem Vertrauen, eurer Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft. Muchisimas gracias! Sobald es wieder Hilfe benötigt, werden wir mit den Spendengeldern weiter unterstützen.

So nun zur angekündigten Alvarado Tele Novela…

Nein, es ist keine Rutschung bei uns niedergegangen, auch sind wir Gott sei Dank nicht in den Wassermassen versunken. Glücklicherweise sind wir nach fast 3 langen Wochen auch nicht mehr von der Aussenwelt abgeschnitten. Die Strasse nach Baños ist seit Mittwoch wieder durch eine provisorische Brücke passierbar. Aber auch das Erdbeben, dass Leo bei seinem Blitzbesuch in Quito vergangenes Wochenende erlebt hat, ist nichts zum «Vulkanausbruch» das indessen über die Familie Alvarado niedergeht.

Wovon spreche ich denn genau? Die Flut an heiss kochenden Gerüchten und sprudelnden Vermutungen ähnelt wirklich einem Vulkanausbruch. Seit 3 Tagen herrscht Ausnahmezustand in «La Martinez», im Wohnviertel, wo wir zu Hause sind.

Die Menschen in Rio Verde, welche ihr Zuhause, ihre Familien und ihr Hab und Gut durch die Schlammlawine verloren haben, müssen so schnell wie möglich umgesiedelt werden. So weit, so gut.

ABER das soll nun auf unseren Ländereien der Alvarados passieren – ohne unser Mitwissen oder eine Vorwarnung. Die Provinz Tungurahua will wirklich unsere Ländereien enteignen. Über die ganze Situation sind wir nie von offizieller Seite informiert worden, sondern die Menschen aus dem Dorf haben uns verwundert gefragt, ob denn das, was sie in den News lesen und hören, wahr sei. Sie hätten die Neuigkeiten vor mehr als einer Woche im Radio gehört und ein Zeitungsartikel ist uns auch in die Hände gefallen: https://www.eluniverso.com/noticias/ecuador/miduvi-destinara-mas-de-4-millones-para-construir-casas-y-reubicar-a-afectados-por-deslizamiento-en-rio-verde-nota/?outputType=amp .

Weiter wurde beobachtet, dass mehrere Menschen unsere Ländereinen ohne Einwilligung besucht hätten und sogar illegal Vermessungen vorgenommen haben. Die Alvarados, das sind alle Erben des Grossvaters Finado Alfonso, sind davon betroffen. Das sind, inklusive uns, 10 Familien. Die Familie Alvarado existiert, seit es das Dorf Rio Negro gibt. Also ca. 70 Jahre. Das Land, auf dem wir unser Haus gebaut haben, ist dabei nicht betroffen, unsere Umgebung würde aber nachhaltig verändert werden, weil wir unmittelbar daneben wohnen. Ausserdem haben wir vom Abuelo eine halbe Hektare geerbt, die jetzt enteignet werden würde.

Ca. 150 Familien aus Rio Verde sollen nun auf unsere 10 ha Land umgesiedelt werden. Erschrocken über diesen Verlauf, rief der Bruder von Leo den Stadtpräsidenten an, um zu fragen, ob die Gerüchte wahr sind. Dieser erwiderte kühl, dass es stimme. Auch als Leo und seine Familienmitglieder ihn auf der Strasse persönlich angesprochen haben, wiederholte er, dass es korrekt sei. Als sie fragten, warum sie nicht informiert wurden, sagte er kaltblütig, er schulde niemandem eine Erklärung.

Seit dem ist Leo nur am Telefon. Sei es mit Anwälten oder Familienmitgliedern. Eine Enteignung ist dann machbar, wenn das Notrecht eintritt. Dies beinhaltet, dass die Ländereien unproduktiv, also nicht für Fruchtfolge geeignet sind und als «verlassen» gelten. Dass das Land überhaupt infrage kommt, scheint uns nicht nachvollziehbar, denn es gibt ganz viele Fruchtplantagen mit Zitronen, Mandarinen und Orangenzitronen, sowie weiteren Früchten. Die Argumentation des Stadtpräsidenten von Baños war, dass es nur 2 Personen betreffe, die Umgesiedelt werden müssten, damit 150 Familien platz bekämen. Die Betroffenen sind der Vater von Leo und der Onkel. Auf dem Papier scheint das logisch und als «einfache Lösung», doch die Realität sieht anders aus. Die beiden Männer sind auf diesem Land geboren, und es betrifft nicht nur sie zwei, sondern etwa 50 Menschen. Die Cousine, mein Schwager und Onkel sind vor vergossener Tränen kaum wiederzuerkennen. Alle kämpfen mit Kopfschmerzen oder Bauchweh. Es wird hier heftig durchgerüttelt.

Das Absurdeste von allem ist, dass es Ländereien ca. 100 m entfernt gibt, die wirklich verlassen und ungepflegt sind und die Parameter idealer erfüllen würden. Unsere Ländereine seien aber die günstigsten. Diese «Verlassenen Ländereinen» gehören Reichen Menschen aus Quito und Ambato, welche das Land vermutlich aus Spekulationsgründen gekauft hatten. Laut Stadtpräsident ist das Verfahren schon am Laufen und den vulnerablen Menschen von Rio Verde wurden schon das Blaue vom Himmel versprochen.

Wir sind sprachlos und doch wie immer voller Zuversicht. Auch das SRF ist momentan anwesend, um unser Familien-telenovela-Drama hautnah mitzufilmen. Die schlaflosen Nächte sind nicht immer negativ. Leo hat dadurch hoffentlich, mit der Hilfe des Internets, eine Lösung gefunden wie die Landenteignung aufgelöst werden kann… Wir halten euch auf dem Laufenden.

Wir sind noch mind. 10 Tage von der Aussenwelt abgeschnitten

Ihr seid grossartig. Schon über 3000 USD sind an Spenden zusammen gekommen. Dafür danken wir euch ganz, ganz herzlich. Die meisten Menschen, die wir besucht haben, antworteten mit diesen Worten auf das gespendete Geld:

Gott ist gross, so gross und gnädig, dass er sogar Hilfe aus dem Ausland zu mir schickt. Du, lieber Spender, sollt gesegnet sein und alles, was du gibst, wird in vielfacher Form zu dir zurückkommen. «Dios le page» ist hier auch ein übliches Wort für Danke. Genau übersetzt heisst es, «Gott wird Sie belohnen».

Und so soll es sein. Ihr dürft euch über eine ganze Menge Fülle freuen, die in der nächsten Zeit auf euch zukommt. Wir waren bei ca. 20 Personen auf Besuch, um eure Unterstützung zu verteilen. Ein sehr emotionaler Tag ging gestern zu Ende. Die vielen Eindrücke, Tränen und die Zerstörung ging nicht spurlos an uns vorbei.

Leider sind wir immer noch von der Umwelt abgeschnitten, da eine Brücke so stark beschädigt wurde, dass sie nun eine Ersatzbrücke bauen müssen. Der Gemeindepräsident rechnet damit, dass wir noch 10 Tage ausharren müssen. Bedauerlicherweise sind die Leute im Dorf abhängig vom Durchgangsverkehr und dem Tourismus. Das Dorf steht still, die Strassen sind leer. Die Menschen hier leben von den Einnahmen ihrer kleinen Restaurants und den kleinen Tante-Emma-Läden. Momentan kommt niemand externes einkaufen und nur vereinzelten wird von der lokalen Bevölkerung in den Restaurants gegessen.

Wir waren mit dem Gemeindeammann Victor, sowie Lisette und Fernanda der Gemeinde unterwegs um die Spenden in die richtigen Hände zu legen. Wir haben zum Teil auch die kleinen Läden und Restaurants im Dorf mit eurer Spenden unterstützt. Denn hier leben die meisten von der Hand in den Mund. Sie besitzen kein erspartes, sondern, wie gesagt, nur viele Schulden.

Heute am 27.6.2024 kommt sogar Daniel Noboa, der aktuelle Präsident Ecuadors nach Rio Verde, in unser Nachbardorf, dort wo der grosse Erdrutsch zahlreiche Menschen verschüttet hat. Das Unglück ist also nicht nur regional, sondern hat auch eine nationale Bedeutung. Die Durchfahrtsstrasse E30 von Baños nach Puyo ist komplett gesperrt. Diese Strasse hält die Verbindung Sierra-Amazonas aufrecht. Wir hoffen sehr, dass die Leute den Präsidenten auch auf die umliegenden Dörfer wie Rio Negro aufmerksam machen, da diese von der Strassensperrung finanziell hart getroffen werden. Wir sind zuversichtlich, dass auch vom Staat Hilfe herbeigeholt werden kann.

Momentan haben wir noch genug Esswaren, die Lieferungen können mit Spezialbewilligungen von Puyo aus herbeigeführt werden. Leider wird aber das Benzin rationiert. Gestern konnten wir nur noch für 5 USD tanken.

Wir machen das Beste aus der Situation und sind so dankbar, dass wir dank euch einigen Menschen helfen konnten und es noch weiter tun können. So toll, dass immer noch einige Spenden bei uns eintreffen. Nochmals muchas gracias und wie die Ecuadorianer sagen, Dios le page!

Wir sind von der Aussenwelt abgeschnitten

Ich hielt meine Katze Guadalupe ganz fest in meinem Arm. Für einmal durfte sie bei mir im Bett liegen, denn zum 3. Mal in Folge hat sie ihre Kitten verloren. Ich fühlte, dass sie ganz viel Nähe brauchte und ihr die Berührung und das Kraulen am Bauch sehr guttat. Ich war in Gedanken bei ihr und die ganze Nacht hellwach. Intensiver Regen prasselte aufs Dach. Dann fing es an zu schütten, wie so oft in den letzten Tagen. Diesmal hörte der Regen aber nicht auf.

Um 3 Uhr morgens ging ich zum Handy und sah, wie in unserem Dorfchat “Chat de Seguridad” Bilder gepostet wurden. Die Hauptstrasse wurde überflutet. Um 4 Uhr fiel der Strom aus, immer mehr Bilder wurden mit Schäden von Wasser und Schlamm veröffentlicht. Ich sah, dass das Gasthaus von Lastenias Arbeitsort inkl. Schwimmbad überflutet war. Dort war eine Fischzucht, Lastenias Hühner und Enten. Ich weckte Leo auf, aber der meinte, es sei schon oft passiert, dass die Strasse überschwemmt wurde. Er kehrte sich um und schlief weiter.

Im Morgengrauen wurde deutlich, dass es nicht wie immer war. Am 16.6 um ca. 10 Uhr passierte die Tragödie. In unserem Nachbardorf Rio Verde kam eine gewaltige Schlammlawine herunter. Sie verdeckte Häuser, Strassen und riss bis jetzt 14 Menschen in den Tod. Duzende Verletzte und weitere Vermisste sind zu beklagen.
Ein Bekannter von Leo hat genau an der Stelle wo die Schlammlawine herunter donnerte ein Fitnessstudio. Er war gerade am Wochenende auf einem Fitness-Wettbewerb als er auf der Rückreise nur noch die toten Körper seiner gesamten Familie, seiner Frau, seinem Kind und seien Eltern sowie Geschwister aus dem Schlamm ziehen konnte. Auch von seinem Gym ist nichts mehr übrig. Viele Familien haben ihr Haus, Hab und Gut verloren. Es wird Essen, Wasser, Decken, Kleider usw. für die Unglücksregionen gesammelt.

Es ist nicht nur eine Schlammlawine, sondern ganz viele verschiedene Rutschungen sind auf der gesamten Länge der Durchgangsstrasse Baños- Puyo heruntergekommen. Die Strasse war seit Sonntag komplett gesperrt. Diverse Brücken, Strassen und Häuser sind stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Es ist noch unklar, wie lange die Strasse gesperrt bleibt. Ab gestern konnten wenigstens vereinzelt Motorräder zirkulieren und heute mit einem Spezialfahrschein 4×4 Autos durchgelassen werden. Sogleich kam wieder eine neue Meldung, dass die Strecke auf unbestimmte Zeit wieder gesperrt sei.

Die liebe Doña Ceci, welche den Dorfladen betreibt, hat mir gestern mitgeteilt, dass sie noch für ca. 4 Tage an Vorrat hat. Bei ihr ist der Parkplatz und eine Mauer eingestürzt. All ihre Kanarienvögel wurden von der einstürzenden Mauer erdrückt. Ihr wunderschöner Garten ist von Schlamm überdeckt. Ihre Aussichtsplattform zusammengefallen. Sie stand immer noch unter Schock, als sie uns von all dem erzählte. Trotz allem schaut Doña Ceci zuversichtlich in die Zukunft. Sie ist dankbar, dass bei uns im Dorf kein Menschenleben zu beklagen ist. Weiter arbeiten, neu Aufbauen ist ihre Devise.

Unsere Dorfbäckerei wurde geflutet, die Besitzer mussten kiloweise Mehl vernichten. Einer ihrer Ofen funktioniert nicht mehr, weil der Schlamm knietief in ihrer Bäckerei stand. Das ganze Dorf lebt vom Durchgangsverkehr und Tourismus. Wir standen bei der Fruchtverkäuferin, welche ganz viel Glück hatte. Die Schlammwelle die von der Kanalisation hochschoss verfehlte ihr Haus und ihren Fruchtstand nur knapp. Sie meinte, dass sie 3 Kredite offen hätte. Sie lebt vom Verkauf der Früchte. Weil nun niemand ins Dorf fährt, hat sie auch keine Einnahmen. Hier haben die Leute keine Versicherungen, dafür umso mehr Schulden auf der Bank.

Wir sind mit so viel Glück gesegnet. In und um unser Haus ist nichts passiert. Leo hat in weiser Voraussicht Dränagenleitungen und Abflusskanäle für das viele Wasser ums Haus gebaut. Auch ist das Risiko von Rutschungen betroffen zu sein an unserem Standort gering. Vom Fluss Pastaza haben wir genügen Distanz und wohnen Erhöht.

Das Wetter spielt auch hier verrückt. Aber die Menschen stehen auf und machen weiter. Bewundernswert.

Falls ihr die Menschen in der Region mit dem nötigsten unterstützen wollt, dann könnt ihr gerne eine Spende auf mein TWINT Konto oder mein CH-Konto CH51 0900 0000 1623 5123 2 tätigen. Ich werde euch ganz genau informieren, wohin und wofür die Spenden gehen. Sei es auch nur, damit der Bäcker wieder seine Mehlsäcke kaufen kann oder eben für die Menschen, die ihr Zuhause verlassen müssen.

Wir halten euch auf dem Laufenden.

Liebe Grüsse
Familie Alvarado

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  1. Hier Seht ihr die Strecke zwischen Baños- Puyo mit dem Helikopter. Die Schäden sind enorm. ↩︎

Besuch bei den Shuars und hoher Besuch bei uns zu Hause (Teil 1)

Bekannt geworden ist das Indigene Volk der Shuars, für die Schrumpfköpfe, Tsantsas genannt. Den feindlichen Krieger köpften sie und schrumpften sein Haupt in einem aufwändigen Verfahren. Sie nähten die Ohren, Augen und den Mund zu, damit die Seele nicht entweichen und sie somit die Kontrolle über den Feind erlangen konnten. Sie glauben nämlich an Wiedergeburt.

Bei unserem Besuch wurden keine Köpfe sondern nur noch Bananen gekocht. Ana, die Grossmutter von Yesenia, meiner Schwägerin, bereitet auf dem Feuer die kleinen Bananen vor. Sie läuft noch Barfuss und hat gerade mal 10 Kinder in ihrem Haus und ohne Hilfe einer Hebamme oder sonstigen medizinischen Hilfsmittel auf die Welt gebracht. Auch all ihre Töchter haben zu Hause ihre Kinder geboren.

Es gibt keine Elektrizität und da sie fast kein Geld haben gibt es auch keine Wasserleitung zum Haus. Das Wasser welches aus dem Fluss geholt wird, wird in einem Plastiktank gelagert. Dieses Wasser ist zum Kochen und für den Abwasch gedacht aber die Kinder benutzen es auch um ihre klebrigen und Erdigen Hände zu waschen oder sich gegenseitig nass zu spritzen. Mit diesem besagten Wasser wird auch das berühmt, berüchtigte «Andenbier» oder «Spuckebier» gebraut. Der Maniok wird im Mund gekaut, mit ganz viel Speichel vermischt und dann ohne Speichel ausgespuckt. Daraus entsteht ein fermentierter Brei. Dieser Brei der «Chicha» genannt wird, verleite den Shuars noch mehr Stärke und lässt den Hunger verschwinden. Es ist eine Sünde, wenn man dieses «Spuckebier» bei einem Besuch der Shuars ablehnt. Mir ist es ehrlich gesagt lieber eine Süde zu begehen als in diesem Erdenleben wegen eines Getränks im Spital zu landen. Mein Schwager hatte letztes Mal nach dem einnehmen des Getränks tagelang Bauchkrämpfe und einen richtig schlimm aufgeblähten Magen. Also, lassen wir das mit dem Spuckebier lieber sein und hoffen wir darauf, dass uns diese Sünde verziehen wird und auch in der Hölle keine Köpfe mehr geschrumpft werden.

Rafico, der Grossvater von Yesenia meinte zu mir, dass er sich reich fühlte, denn sie lebten Gesund, noch in einer Welt ohne Pflanzenschutzmittel und Chemie. Sie hätten viel Land um ihre Früchte und das Gemüse anzupflanzen und im Fluss gibt es reichlich Fische. Früher seien die Shuars nie krank geworden. Heute, wo Zucker, Salz und Chemie unseren Alltag beherrschen werden auch sie krank. Der Grossvater ist mir sehr sympathisch und scheint viel Urwissen zu besitzen. Von Yesenia weiss ich, dass er auch Geschichtenerzähler ist. Als sie klein war, erzählte sie mir, dass die Arbeiter vom Feld kamen und dann gab es am Feuer eine grosse Versammlung. Der Grossvater erzählte, wie das Feuer zu den Menschen kam, wie Gott die Welt schuf usw. Diese Themen interessierten mich natürlich viel Mehr als das Andenbier das auch durch die Fermentierung einen leichten Rausch geben kann. Die Shaurs haben auch eine grosse Tradition mit Ayahuasca. Dieses halluzinogene Getränk verwenden sie um Visionen zu sehen, um zu heilen, um zu erkennen wer die zukünftige Ehefrau sein wird und sie sehen im vorhinein, welchen Feind sie besiegen müssen. Je nach grösse des Landbesitzes darf ein Mann bei den Shuars bis zu 5 Ehefrauen haben. Die Versorgung der vielen Kindern muss aber durch deren Landbesitz gewährleistet sein.

Die Familie von Yesenia, hat kein Badezimmer. Es gibt ein WC Häuschen 5min vom Wohnhaus entfernt, welches auch eine Dusche beinhaltet. Dieses Häuschen wird mit den Nachbarn ringsherum geteilt. Als ich da mal für kleine Mädchen musste, sah ich ein Primarschulheft, dass dort als Klopapier benutzt wurde. War ich schockiert? Ja! Aber ich weiss, dass dies vor 60-70 Jahren in der Schweiz auch eine Realität war. Schon verrückt wo wir heute in der Schweiz stehen und wie es vor ein paar Jahren noch ähnlich aussah wie in Teilen Ecuadors.

Ein weiterer Schockmoment war, als ein Shuar zu uns gerannt kam und mitgeteilt hat, dass drei Kinder auf einem Motorrad in ein Taxi geprallt war. Leider kam der Nachbarssohn dabei ums Leben. Alle Shuar Frauen versammelten sich um das Handy des Mannes und schauten entsetzt auf das Bild mit der Mutter und ihrem toten Sohn in ihren Armen. Keine von den Frauen hatte nur eine Träne in den Augen. Mir flossen natürlich die Tränen nur so herunter. Es berührte und bewegte mich zu tiefst. Die Shuars sind dafür bekannt, dass sie keine Gefühle zeigen. Sie haben wirklich auch ein hartes Leben und man sieht ihnen das Kriegerblut deutlich an.

Warum sind wir überhaupt zu Besuch bei den Shuars? Da wir ja ausgewandert sind, interessiert mich natürlich diese Fülle der verschiedenen Kulturen in diesem vielfältigen Land. Eines dieser Kulturen hautnah kennen zu lernen und «Familie» zu sein ist einfach enorm spannend und auch für unsere Kinder wichtig. Wie ihr ja wisst, sind Leo und ich auch Geschichtenerzähler. Die Geschichten der Familie von Yesenia, möchte ich gerne niederschreiben und so dafür sorgen dass Etsa, der Sohn von Yesenia und meinem Schwager, die Kultur und Geschichte weitertragen kann, denn das Wissen und die Weisheit des Grossvaters wird nach seinem Tod sehr wahrscheinlich vergessen gehen.

Ja, wir haben auch ganz viele Geschichten zu erzählen. Nur an einem Tag auf «Besuch» könnten wir schon einen halben Roman niederschreiben. Ecuador bedeutet für mich das pure Leben erleben in seinen Tiefen und Höhen. Wir sind nun schon 6 Monate ausgewandert und die Flut an erlebten ist enorm. Daher wusste ich auch gar nicht mit was ich in meinem weiteren Blog starten sollte und sah vor lauter Bäume den Wald nicht mehr. Die liebe Madeleine hat mich aber dazu animiert, wieder drauf los zu schreiben und so entstand dank ihr dieser neue Text für euch.

Im zweiten Teil erfahrt ihr dann dass wir nicht nur auf Besuch waren, sondern eben auch hohen Besuch empfangen durften.

Ich hoffe euch geht es allen gut und wir senden herzlichste Grüsse zu euch allen!

Grossmutter Ana beim Bananenkochen
Das Haus von Grossvater Rafico
So sieht es im Innern des Hauses aus. Ein Bett ohne Matratze, für en tüüfe gsunde Schlaf.
Ein weiteres Haus mit Amaru und dem magersten Hund, den ich je gesehen habe. Die Tiere hier sind wirklich stark unterernährt.
Die Shuars haben viele Kinder
Schuhe, nein danke! Wunderbar geerdete Füsse von Ana

Krieg in Ecuador? Lieber sprechen wir über Intis Schule!

Seit Januar herrscht der Ausnahmezustand in Ecuador. Der kürzlich gewählte Übergangspräsident Daniel Noboa greift mit allen Mitteln gegen die Drogenkartelle aus Mexiko und Albanien durch. Er hat die verschiedenen Drogen-Mafias als terroristische Gruppierungen eingestuft und somit den Kriegszustand ausgerufen. So kann nun das Militär vor allem an der Küste und am Hafen miteingreifen.

Wir merken zum Glück rein gar nichts davon. Das Leben verläuft völlig normal. Wir fühlen uns hier in Río Negro sicher, gut aufgehoben und sehr wohl. Wir hatten auch schon Besuch aus der Schweiz und aus Deutschland. Auch sie berichteten von nichts aussergewöhnlichem auf ihrer Reise durch Ecuador.

Das einzige, was wir gespürt haben, war dass ein Versammlungsverbot herrschte und unserer geliebte Rumbaterapia (Zumba) im Dorf nicht stattfand, sowie, dass die Kinder im Homeschooling sein mussten. Das Homeschooling machte uns am meisten zu schaffen. Die Kinder mussten täglich 2h am Bildschirm aufmerksam der Lehrerin zuhören, währenddessen im Teams alle Mikrofone auf Laut gestellt waren. Durch das ganze Gerede und hin und her konnten die Kinder sich wirklich nicht konzentrieren. Die Lehrerin bat Inti mehrfach, sich doch wieder hinzusetzen und nicht immer unserer Katze hinterherzujagen. Nach den 2 Stunden gab es haufenweise Hausaufgaben. Ich verbrachte also den ganzen Tag damit, dass Inti aufmerksam mitmachte, dass ich keine wichtigen Infos von der Lehrerin verpasste und gleichzeitig musste ich schauen, dass Amaru nicht noch nebenbei einen Unfug anstellt oder wie so oft bei Langeweile die Tiere belästigt. Danach folgten mühselige Hausaufgaben. Auch von anderen Eltern hörte ich, dass sie damit an den Anschlag kamen. Gott sei Dank ist nun die Schule wieder vor Ort und das Versammlungsverbot aufgehoben. Leo und ich tanzen und schwitzen nun wieder ganz fröhlich mit dem halben Dorf zu Latinobeats im Gemeindesaal. Die Ausgangssperre gilt momentan in unserer Region nur noch von 2 Uhr bis 5 Uhr Nachts, was uns ja sowieso nicht betrifft. Jetzt aber zu etwas interessanterem als dem Krieg und Ausgangssperren.

Schule und Weihnachten

Gerne zeige ich euch die Schuluniformen von Inti.
Am Montag sind die schönen Kleider mit Krawatte Pflicht. Dazu gehören auch schöne Schuhe. Am Dienstag werden die gelben Sportkleider mit schwarzen Sportschuhen getragen, am Mittwoch das Poloshirt mit den schönen Hosen, am Donnerstag Plomo, also graue Sportkleider (davon habe ich leider kein Foto) und am Freitag wieder die gelben Sportkleider. Zum Malen und Basteln tragen sie eine Schürze, die auch dazu gekauft werden musste.

Leo erzählte mir, dass seine Uniformen für ihn sehr wichtig waren, da er neben den Schulkleidern armutsbedingt nur zwei weitere private Kleidungsstücke besass. Ich sehe viele Kinder, die mit den Schuluniformen den ganzen Tag herumlaufen oder damit sogar schwimmen gehen. Für sehr arme Kinder sind die Uniformen also essenziell. Diese müssen von den Eltern selbst bezahlt werden. Insgesamt haben wir für Intis Schulkleider 75 USD ausgegeben. Dazu kommen viele Schulmaterialien und Bücher sowie leere Hefter. Eigentlich wäre die Schule hier ja gratis, aber das sind nur Wunschvorstellungen. Die Schulen haben nicht genug Geld. Sogar an einem Schulkopierer mangelt es. Die Eltern, welche keinen Drucker zu Hause haben (das sind viele) müssen dann in die Dorf Papeterie um für 10-25 Cent pro Papier einen Ausdruck zu holen.

Die schönen Montagskleider
Evelyn, die Cousine von Inti trägt die Mädchen-Montagskleider
Sportkleider
Malschürze und Poloshirt

Auch die Weihnachtsdeko und den speziellsten Weihnachtsbaum möchte ich euch hier nicht vorenthalten. Was mich immer wieder schockiert ist der Kult um die Schönheitsköniginnen des Dorfes, der Region, der Stadt oder des Landes. Wir mussten am Weihnachtsfest über eine Stunde die verschiedenen Weihnachts-Dorf-Prinzessinnen bewundern und am Schluss wird immer die schönste davon gekürt. Die rigorose und meist gemeine Schönheitsbewertung von bereits kleinsten Mädchen führt dazu, dass schon junge Mädchen sich Po, Brüste und Nase operieren. Die Mütter stecken viel Geld und Zeit in die «Verschönerung» ihrer Mädchen aka Prinzessinnen.

Alle Kinder mussten als Engel in die Schule. In einer Nacht- und Nebelaktion hat Leo die Flügel zusammengebastelt. Immer ganz kurzfristig oder um 21 Uhr gibt die Lehrerin bescheid, was am nächsten Tag gebraucht wird.
Dekorieren des Schulzimmers. Ein Schneemann im Dschungeldorf. Der US-Amerikanische Einfluss ist enorm. Kommerz lässt Grüssen.
Die Klassenlehrerin neben der Weihnachtsprinzessin, der Weihnachtskönig und der Weihnachtsmann
Es schockiert mich jedes Mal aufs Neue wie viel Aufmerksamkeit den Prinzessinnen gegeben wird.
Was das wohl wird?
Jetzt wird es schon klarer… Übrigens, die Plakate an der Wand gab es schon, als Leo hier in diesem Zimmer zur Schule ging.
Der wunderschöne Plastikflaschen Weihnachtsbaum. Die Klasse hat den 1. Preis für das schönste dekorierte Schulzimmer herhalten. Die Kinder haben einen Zoobesuch gewonnen.

Auch, wenn Weihnachten schon lange vorbei ist, wollte ich euch diese Fotos nicht vorenthalten. Leider fand ich mit all dem Homeschooling Trubel keine Zeit, euch mit all unseren Abenteuern auf dem Laufenden zu halten. Auch haben wir realisiert, dass der Schulunterricht für Inti sehr überfordernd war und bei uns in der Familie viel Druck und Unmut erzeugte. Daher haben wir uns entschlossen, ihn wieder aus der Schule zu nehmen. Die Schule der Kinder beginnt um 7 Uhr am Morgen. Wenn man nur um 7.01 Uhr ankommt, ist die Türe schon geschlossen und der Unterricht für den ganzen Tag vorbei. Das ist eine Sicherheitsmassnahme des Dorfes. Auch muss mindestens ein Elternteil das Kind immer in die Schule bringen und von dort wieder abholen. Der Unterricht endet um 12 Uhr. Wenn die Kinder mit den Aufgaben noch nicht fertig sind, kann es schon 12.30 Uhr werden. Für 5 bis 6-Jährige Kinder finde ich das schon extrem früh und lange. Auch mit der Kommunikation der Lehrerin kamen wir nicht zurecht. Sie kann, wenn sie will, ein WhatsApp senden und um 10 Uhr oder 11.30Uhr schon sagen, dass die Kinder abholbereit sind. Das heisst also, dass immer jemand «abrufbereit» sein muss. An so einem dieser Tage war ich zu Fuss unterwegs als mich Carla, die Nachbarin, mit ihrem Motorrad aufgabelte. Mitsamt unserem Hund Oliver und Amaru fuhren wir also gemeinsam auf ihrem Motorrad zur Schule um die Kinder abzuholen. Was für ein Bild :).
Bis Inti sich akklimatisiert hat, bei uns etwas Ruhe eingekehrt ist und wir den Baustress etwas überwunden haben, werde ich Inti zu Hause unterrichten. Das spannende ist, dass er um 20 Uhr am meisten aufnahmefähig und motiviert ist etwas zu lernen. Dann rechnet er wie wild und schreibt schon fleissig Wörter auf. Auch das Lesen fällt ihm immer leichter. Für den Englisch-Unterricht haben wir eine Applikation gekauft. Er freut sich jeden Tag 20 min, mit dem App eine weitere Sprache zu lernen. Er ist schon weiter als die Kinder aus der Schule. Alles ohne Druck und alles mit viel Spass. So sollte es doch sein, oder? Leider werden hier viele Kinder noch mit dem Gürtel «erzogen».

Beim nächsten Blog möchte ich euch ein paar Eindrücke von unserer Baustelle zeigen und von unseren Projekten erzählen.

Ich wünsche euch allen eine schöne Fasnacht oder tolle Skiferien

Alles Gute aus dem sehr friedlichen, momentan Fasnächtlichen Río Negro!

Ankunft im neuen Leben – Tierisch viel los

Bereits am nächsten Morgen unserer Ankunft im neuen Leben erhielten wir Zuwachs. Nein, ich war nicht heimlich schwanger, sondern ein Fellfreund machte unser Familienglück fast komplett.
Von der Tierschutzorganisation Unidog Baños bekamen wir einen Anruf, dass ein kleines Büsi zur Adoption freigegeben wurde. Kurzentschlossen fuhren wir zu der besagten, kleinen zitternden Katze und wir alle verliebten uns auf Anhieb in Minou, welche etwas mehr als 2 Monate alt war. Wir bemerkten gleich, dass sie nicht so reibungslos läuft und dass ihr Schwanz sichtlich gebrochen war. Die Hüften schienen dasselbe Problem zu haben. Aber jetzt weiss ich endlich, warum es „Catwalk“ heisst. Minou hat durch ihre Blessuren einen sehr eigenen und speziellen „Catwalk“. Schon nach ein paar Stunden gewöhnte sie sich an unsere wilden Buben und wir bemerkten, wie dankbar sie war, an so einem sicheren und geborgenen Ort sein zu können. Das Büsi gehört offiziell Inti. Er hat sich schon lange 4! Katze gewünscht. Er besass bereits seit Januar 2023 in Rio Negro eine Katze namens Guadeloupe. Vor einem Jahr war sie noch ganz klein. Bei der Ankunft erkannte sie uns leider nicht mehr. Sie lebt hauptsächlich draussen und kommt nur für Futter zu uns.

Plötzlich bemerkten wir das Guadeloupe das erste Mal rollig war. Wir wollten natürlich keinen weiteren Nachwuchs, geschweige denn 4 Katzen. Wir sperrten sie in einen Katzenkäfig ein, den wir damals für Minou gekauft hatten und stellten sie mit Futter und Wasser in die Abstellkammer bis der Tierarzt am nächsten Tag kommen könnte, um ihr ein Verhütungsmittel zu Spritzen. Am nächsten Morgen war es verdächtig ruhig. Nur die Grillen zirpten draussen… Als wir die Kammer öffneten, sahen wir, dass die Katze sich durch den Katzenkäfig (der hauptsächlich aus Schaumstoff und Plastik besteht) durchgefressen hatte und aus dem offenen Fenster geflohen war. Wir hofften dennoch, dass der Tierarzt vor dem Kater da sein würde. Wir entdeckten sie im zweiten Stock unseres Hauses. Die Rolligkeit war nach der Spritze vorbei und wir wollten sie bei der nächsten Gelegenheit kastrieren. Hier in Ecuador sind die vielen Haus- und Strassentiere ein riesengrosses Problem. Auch das Filmen für Dominic und Regina vom SRF war eine grosse Herausforderung. Nicht wegen der beissenden Hunde, sondern, weil es überall Hundedreck auf den Strassen und Trottoirs gibt. Nicht ein Spiessruten-, sondern ein Hundedreck-Ausweichlauf stand auf dem Filmprogramm. Hoffentlich bekommen wir bald eine Eingebung, wie wir Hundedreck in Gold umwandeln können. So wäre dieses eklige Problem bald beseitigt und wir hätten unsere Kasse gefüllt.

Zurück zur rolligen Katze. Nach der Spritze, dachten wir, dass die Gefahr für ein paar Wochen gebannt ist und wir die beiden Katzen gemeinsam zur Kastration bringen würden. Natürlich falsch gedacht. Guadeloupe war nach gefühlt einer Woche schon wieder rollig und dieses Mal sass der Kater friedlich neben ihr. Ohalätz in etwas mehr als 2 Monaten werden wir sehen, ob Intis Wunsch von 4 Katzen nun doch in Erfüllung geht… Auf jeden Fall ist unsere kleine Minou eine richtige Schmusekatze und bereichert unser Leben sehr und wir sind offen für das was noch auf uns zu kommen mag.

Ein weiterer Fellfreund macht unser Familienglück seit 2 Wochen richtig komplett. In der Schweiz hatte ich eine Vision, dass ein schwarzer junger Hund, den wir auf der Strasse Richtung Puyo entdecken würden, auf uns wartet. Diese Vision ist inzwischen Realität geworden und unser junger Strassenhund Oliver ist seit der Stunde 0 nicht nur ein guter Wachhund, sondern auch ein toller Spielfreund für unsere Katze Minou. Die zwei sind den ganzen Tag am Herumtollen und teilen sich nicht nur den Fressnapf sondern auch die neu gebaute Hundehütte zusammen. Hier auf dem Land sind unsere Tiere frei und scheinen in dem saftigen Grün der Landschaft glücklich zu sein.
Ein weiteres Tier, nicht mit Fell, sondern mit Federn, wurde uns geschenkt. Nach einem meiner Besuche beim Schwiegervater stapfte ich also mit meinen hellgelben Stiefeln und einem Huhn unter dem Armen zu unserem Haus zurück. Zu Recht intervenierte Leo, denn wir hätten ja noch keinen Hühnerstall. Also brachte ich das schöne Huhn kurzerhand wieder zu meinem Schwiegervater zurück. Letzthin bei einem Restaurantbesuch im Dorf, wollte mir die Köchin auch gleich ein paar Hühner schenken. Ich denke, das ist hier ein originelles, übliches Geschenk. Wenn wir dann den Hühnerstall gebaut haben, freue ich mich auf meine neuen Tiere. Hühner finde ich nämlich auch ganz interessant. Dann wirds sicherlich so bunt wie bei der Geschichte mit Findus und Petterson. Minou ist nämlich vom Charakter her schon sehr ähnlich wie Findus :).

Wenn ihr bedenkt, wie unsere Abreise war, dann könnt ihr euch vielleicht vorstellen, wie viel wir nur im ersten Monat in unserem neuen Leben erlebt haben. Eins unserer «Abenteuer» war, dass sich Amaru leider alleine in unserem Haus eingesperrt hatte, so dass wir das Glas unserer Haupttüre einschlagen mussten. Wir waren also diesmal die eigenen Einbrecher. Das verrückte ist ja, dass hier alle Fenster vergittert sind und somit niemand rein oder raus kann – ausser die rollige Katze natürlich… Auch der Autokauf verlief nicht reibungslos. Wegen verdacht auf Geldwäscherei wurde das Geld ohne unser Wissen nicht auf eine ecuadorianische Bank überwiesen. Wir verzweifelten fast. Das spannende daran ist, dass wir nun gesehen haben, dass das Geld zuerst über Amerika nach Ecuador geleitet wird. Na ja, nur dank meiner lieben Schwester, welche direkt auf die Schweizer Bank gegangen ist, haben wir nun unser aller, aller erstes Auto vor unserer Haustüre stehen. Es ist ein weisser kleiner Chevrolet Pickup. Nochmals herzlichen Dank liebe Caroline für deine grosse Unterstützung. Dieses neue Gefährt beschert uns ungewohnte Freiheit und viele neue (Arbeits-)Möglichkeiten.

Die Dreharbeiten mit dem SRF waren nicht nur aufregend und anstrengend wegen der vielen Hundekacke sondern auch emotional, da ja der ganze Stress der Abreise und des Loslassens, noch auf mir lastete. Vor der Kamera war ich oft am Weinen. Vor Freude, vor Erleichterung, vor Erschöpfung. Regina fragte mich dann, weshalb ich so viele Tränen vergiessen würde und ich meinte, dass es so überwältigend wäre, dass ich nun meinen grossen Traum, den ich damals vor 20 Jahren im Geografieunterricht geträumt hatte, leben darf! Auch eine Trauer war da, denn ich weiss, dass ganz viele Menschen ihre Träume nicht leben können oder den Mut dazu nicht finden.

Loslassen, Freiheit pur, komplettes Familien- und Tierglück sowie viel Natur und Arbeit im und ums Haus, das ist das Fazit des ersten Monats in Ecuador. Wir fühlen uns sehr wohl und zu Hause.

Im nächsten Blog erzähle ich euch gerne über den Schulstart von Inti, über die verschiedenen Schuluniformen, die vielen Hausaufgaben, Schulprinzessinnen, von speziellen Weihnachtsbäumen und ecuadorianischen Weihnachtstraditionen.

Wir hoffen, ihr seid alle gut ins neue Jahr gestartet und wir wünschen euch, dass auch ihr im 2024 eure Träume lebt!

Alles Gute
Familie Alvarado